WLAN-Gesetzesentwurf der Bundesregierung würde zu mehr Rechtsunsicherheit führen
Mitte Februar wurde über einen nicht-abgestimmten Referentenentwurf zur Neuregelung der Störerhaftung berichtet (u.a. Spiegel Online), der daraufhin am 24.2.2015 mit Stand vom 17.2.2015 drüben bei netzpolitik.org als PDF veröffentlicht wurde. Als Reaktion auf diesen Entwurf, veröffentlicht der Förderverein freie Netzwerke e.V. zusammen mit den lokalen Freifunk Gruppen heute folgende Stellungnahme und sendet sie an die zuständige Referate im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), Bundesministerium des Inneren (BMI), Bundesministerium der Justiz (BMJ) und Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI),an mehrere Bundestagsabgeordnete (per E-Mail und über den Postweg) . Wir als Freifunk Magdeburg haben Sie stellv. für die Freifunkgruppen in Sachsen-Anhalt an die Landesregierungen sowie die Landtagsfraktionen übersendet.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Freifunkprojekte in Sachsen-Anhalt werden immer verbreiteter. Freifunk hat es sich zur Aufgabe gemacht freie und unbegrenzt kostenlose WLAN Zugänge bereit zu stellen. Dies alles wird von engagierten Bürgern in ihrer Freizeit durchgeführt. Die freiwilligen der Freifunk-Gruppen in Sachsen-Anhalt beteiben in den Regionen Altmark, Dessau, Gardelegen, Harz, Halle und Magdeburg über 150 freie Hotspots. Damit haben Freiwillige auf eigene Kosten eine WLAN Verbreitung für alle Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt geschaffen, die in ihrer Größenordnung mit der Verbreitung der Hotspots der deutschen Telekom mithalten kann.Die Freifunkprojekte sehen die Möglichkeit einen Internetzugang kostenfrei für jeden zur Verfünung zu stellen bedroht. Wir begrüßen auch weiterhin grundsätzlich das Vorhaben, eine Änderung des Telemediengesetzes anzustreben bzw. die Anwendung der Störerhaftung bei WLAN-Netzen neu zu regeln. Allerdings darf eine neue Regelung nicht dazu führen, dass die WLAN-Nutzung für die Kunden in der Praxis noch komplizierter wird als bisher. Auch für die Anbieter sollten sich durch eine Neuregelung nicht neue Hürden bei der Bereitstellung von Zugang zu Funknetzwerken ergeben und die Verbreitung von freien WLANs in Deutschland behindert werden.
Wir möchten hiermit die Landesregierung in Sachsen-Anhalt bitten, einer Neuregelung des Telemediengesetzes nur zuzustimmen, wenn sie Freifunkprojekte nicht gefärdet.
Das gute Vorweg, bereits im Entwurf wird in § 8 Abs. 3 TMG-RefE klargestellt, dass WLAN-Anbieter von der Privilegierung im TMG profitieren sollen. Allerdings beseitigt der uns vorliegende Entwurf vom 17.2.2015 (im Folgenden: TMG-RefE) weder die Rechtsunsicherheit, noch schafft er die dringend notwendigen Vorraussetzungen für die gewünschte Verbreitung von öffentlich zugänglichem WLAN für die deutsche Gesamtgesellschaft.
Der Entwurf sieht vor, dass „nicht geschäftsmäßige“ WLAN-Betreiber, (1) verschlüsseln, (2) die Nutzer einwilligen lassen und (3) die Nutzer beim Namen kennen sollen. Diese Ungleichbehandlung von geschäftsmäßigen oder nichtgewerblichen Anbietern ist nicht akzeptabel und bedeutet eine weitere Verkomplizierung der ohnehin schon schwierigen Argumentationslage zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen, aber womöglich kostendeckend betriebenen Zugängen. Wir zweifeln aus den oben genannten Gründen an der Praktikabilität der im Entwurf festgehaltenen Punkte für öffentliche W-Lans in Deutschland und deren Unterstützern wie
Gastronomen oder Einzelhändlern, die dafür keine Infrastruktur besitzen (siehe auch Stellungnahmen des Handelsverbands Deutschland zum Entwurf)
öffentliche Einrichtungen, Verwaltungen und Tourismusverbände, die nicht über die finanziellen Mittel zur Erfüllung der unwirksammen Einschränkungen verfügen (siehe unten)
des weiteren und insbesondere Privatpersonen, die meistens aus altruistischer Motivation handeln und die nach aktuellen Entwurf die meisten Bedinungen zu erfüllen haben
Die Verabschiedung eines solchen Gesetzesvorschlags würde zu mehr Rechtsunsicherheit und mehr Bürokratie bei der Rechtsdurchsetzung als bisher bei einem negativen Effekt auf die Verbreitung von Funknetzwerken führen. Entgegen der Aufassung der Verfasser des Entwurfes, würde der Entwurf auch erhebliche zusätzliche Investitionen seitens der Wirtschaft und Verwaltung nach sich ziehen. Dies wiederspricht auch klar der aktuellen EU Initiative: „…to reduce the administrative burden on the deployment of off-load services and networks in public locations.“ Darüber hinaus ist der Entwurf nicht nachhaltig, da er aller vorrausicht nach nicht mit der EU Digital Single Market Verordnung vereinbar ist und somit mittelfristig nochmal überarbeitet werden müsste. Wir gehen davon aus, dass dieser Gesetzesentwurf, sollte er so eingebracht und beschlossen werden, weder zu der angestrebten Rechtssicherheit, noch zu einem Anstieg der derzeit verfügbaren öffentlich zugänglichen WLAN-Zugänge führen würde – mehr noch er führt zu einer weiteren Verschlechterung der aktuelle Situation.Weitere Einschätzungen unsererseits:
– Mit §8 Abs. 5 TMG-RefE wird lediglich ein Placeboeffekt erzeugt. Die Nutzer sollen einen beliebigen Namen eingeben und versichern, keine rechtswidrigen Handlungen vorzunehmen. Diese Maßnahmen sind weder zur Abschreckung noch zur Aufklärung möglicher Straftaten geeignet und werfen rechtsmethodisch ungewollte datenschutzrechtliche Herausforderungen auf. Dieser Absatz würde für weitere Unsicherheit sorgen, da weder der Umfang dieser Erhebung, noch die rechtliche Absicherung im Entwurf er- oder geklärt wird. Abgesehen davon ist auch unklar, ob die Erhebung des Namens überhaupt stattfinden darf. § 12 Abs. 1 TMG sieht vor, dass personenbezogene Daten (wie der Name!) nur erhoben werden dürfen, wenn dieses Gesetz es erlaubt. Es stellt sich aber die Frage, ob § 8 Abs. 5 TMG-RefE diesem Erfordernis gerecht wird.– Eine Einschränkung ergibt sich bei § 8 Abs. 4 TMG-RefE (gegenüber § 8 Abs. 5 TMG-RefE): Hier werden nur diejenigen Betreiber privilegiert, die „anlässlich einer geschäftsmäßigen Tätigkeit oder als öffentliche Einrichtung“ ihr WLAN zur Verfügung stellen. Geschäftsmäßig im Wortsinne wäre in diesem Zusammenhang aber auch das von einer Privatperson dauerhaft angebotene WLAN. Das scheint der Gesetzgeber nicht zu wollen, wie man § 8 Abs. 5 TMG-RefE mit Phantasie entnehmen kann. Damit bleibt aber § 8 Abs. 4 TMG-RefE sinnfrei.
– Im Entwurf wird der Erfüllungsaufwand und die wirtschaftliche Auswirkungen mit „keine“ bewertet. Das ist nachweislich falsch, denn Betreiber von WLANs müssten nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf ihre WLANs komplett neu konfigurieren. Gerade kleinere Betreiber haben derzeit auch gar nicht die Möglichkeit, die Einwilligung einzuholen. Sie müssten sich also neue Anlagen kaufen. Das ist ein erheblicher wirtschaftlicher Faktor, der möglicherweise sogar zum WLAN-Sterben führen könnte. Das gilt darüber hinaus auch für WLANs der öffentlichen Hand.
– Der Gesetzesentwurf geht in seiner Begründung auch von einem sinkenden Beratungsbedarf bei WLANs aus (unter Weitere Kosten). Im Rahmen der bisher genannten Punkte ist diese Begründung ebenfalls falsch.
– Unklarheit bei der Vereinbarkeit mit Art. 12 der EU E-Commerce-Richtlinie: Hier könnte die neue Regelung des § 8 TMG vor dem EuGH landen, bevor tatsächlich Rechtssicherheit eintritt. Es ist davon auszugehen, dass die im Entwurf genannten Regelungen durch Art. 12 ECRL verboten sind.
Auszug anderer Reaktionen auf den Entwurf:
– Handelsverband Deutschland (HDE) sieht vor allem den zusätzlichen Aufwand durch die Regelungen kritisch:
http://www.einzelhandel.de/index.php/presse/aktuellemeldungen/item/125166-smartphones-als-innovationstreiber-im-handel-%E2%80%93-st%C3%B6rerhaftung-als-bremse
– Die Juristische Community bezeichnet den Entwurf zutreffend als „Gesetzentwurf zur Abschaffung freier WLANs“:
http://www.cr-online.de/blog/2015/03/01/gesetzentwurf-zur-abschaffung-freier-wlans/ und
http://www.internet-law.de/2015/03/bundesregierung-will-haftung-von-w-lan-anbietern-regeln.html
– eco: aktueller Gesetzesentwurf führt nicht zu mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber:
https://www.eco.de/2015/pressemeldungen/eco-aktueller-gesetzesentwurf-fuehrt-nicht-zu-mehr-rechtssicherheit-fuer-wlan-betreiber.htmlMit freundlichen Grüßen,
René Meye
Freifunk Magdeburg | http://md.freifunk.net
Netz39 e.V. | http://www.netz39.de
Und die mehr als 150 Freifunk-Initiativen in ganz Deutschland.
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