Bundesregierung plant Abschaffung der Störerhaftung
Auf allen großen Kanälen ist vom „Ende der Störerhaftung“ die Rede. Aber was genau ist damit gemeint und was bedeutet das für Freifunk Magdeburg?
Die Störerhaftung bezeichnet im Internetrecht die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers, für unrechtmäßigen Gebrauch durch dritte belangt werden zu können. Das bedeutet also, egal ob im Cafe nebenan, in der eigenen WG oder beim WLAN der Nachbarnin: immer ist der Anschlussinhaber für die übermittelten Inhalte verantwortlich. Sobald jemand beispielsweise urheberrechtlich geschützte Musik über den Anschluss verbreitet, werden vom Inhaber die Abmahnkosten und Schadensersatz verlangt. Die Abmahnungen werden dabei durch spezialisierte Anwaltskanzeleien erstellt, die automatisiert und massenweise Abmahnschreiben verschicken. Durch die Störerhaftung ist es also nicht möglich, risikofrei ein offenes WLAN-Netz anzubieten. Der einzigste Ausweg bisher ist das Umleiten des gesamten Datenverkehr, was von vielen Freifunk Communities (auch hier in Magdeburg) praktiziert wird.
Die Störerhaftung hat so in den letzten Jahren erfolgreich dafür gesorgt, dass der Ausbau freier WLAN-Zugänge in Deutschland stagniert und Abmahnkanzleien wie Pilze aus dem Boden schießen.
Nachdem die Union im Koalitionsschreit um die Neuregelung der Störerhaftung nun eingelenkt hat, scheint freiem WLAN ohne Vorschaltseiten und Passwort nichts mehr im Weg zu stehen. Es soll jetzt sogar alles ganz schnell gehen: bereits in der nächsten Sitzungswoche im Juni sollen die Änderungsanträge beschlossen werden (Meldung bei Spiegel, heise). Der geplante Entwurf birgt aber noch Risiken wie z.B. ein möglicher Unterlassungsanspruch.
Viele Freifunker, Freifunkerinnen und Netzpolitiker verfolgen die Wandlung der Störerhaftung natürlich gespannt. Wir können auch davon ausgehen, dass die Neuregelung ähnlich detailliert beleuchtet wird, wie schon der Gesetztesentwurf 2015.
Es bleibt also spannend, ob die komplett freien WLAN-Zugänge bald Realität werden. Falls ja, bedeutet das natürlich nicht, dass mit Freifunk Magdeburg Schluss ist. Es bedeutet höchstens, dass Freifunker und Freifunkerinnen auf die Umleitung der Daten über unsere Server verzichten können und so deutlich mehr Bandbreite nutzen können. Denn auch wenn viele Freifunk nur als risikofreie Variante für offene Hotspots sehen, ist Freifunk eigentlich mehr. Neben der Abschaffung der Störerhaftung setzten wir uns auch für Netzneutralität und anonymen Internetzugang und gegen Überwachung und Zensur ein. In Zeiten der Telekommunikationsüberwachung, Vorratsdatenspeicherung, Überholspuren im Internet und Zensur (z.B. neulich in Brasilien) wollen wir eine Alternative aufzeigen. Freifunk Magdeburg zeigt, wie ein freies offenes WLAN in Bürgerhand aussehen kann, in dem nicht zensiert, überwacht oder gedrosselt wird.
Dieser Artikel basisert auf dem Blogeintrag von anon6789 von (Freifunk Bremen) und ist CC BY-SA 4.0
FAQ
Was ist jetzt zu beachten?
Solange das Gesetz nicht in Kraft getreten ist (frühestens im Herbst 2016), ändert sich erst mal nichts an der Rechtslage. Aber auch dann wird es auf die Details im Gesetz ankommen. Abmahnungen können nach wie vor verschickt werden, es besteht jedoch die Hoffnung, dass diese zukünftig deutlich leichter abgewehrt werden können.
Kann ich nach der Gesetzesänderung einfach mein WLAN freigeben?
Man sollte keinesfalls einfach sein WLAN ohne Passwort oder mit öffentlich bekanntem Passwort freigeben. Jeder, der sich mit dem eigenen WLAN verbinden kann, hat automatisch auch Zugriff auf das eigene Netz. Dort betriebene Geräte (Kassen, Speichersysteme, Drucker, Scanner, Multimedia, etc.) sind in der Regel nicht besonders gesichert. Daher muss man das WLAN, welches man bereitstellt, sicher vom eigenen Netz trennen. Das geht heute schon mit den Routern von Freifunk. Auch andere Router mit einem sogenannten Gastzugang können eine Lösung sein. Man sollte im Zweifel jemanden hinzuziehen der sich wirklich mit dem Thema auskennt.
Ist Freifunk jetzt überflüssig?
Freifunk sieht sich als Betreiber eines Netzes in Händen der Nutzer. Die Lösung zur Absicherung gegen die Störerhaftung ist im Grunde nur ein Nebenprodukt der Freifunk-Idee. Die Router des Vereins entkoppeln heute schon das eigene Netz vom Freifunknetz. Die Geräte verbinden sich ohne Zutun des Anwenders untereinander, erweitern und bilden so ein freies Netzwerk.
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